Mit eiserner Hand

In einer Steinfabrik wird Keramik im weitesten Sinne des Wortes produziert, d.h. besonders Backsteine aber auch anverwandte Produkte wie Dachpfannen und Steinröhren. Backsteine werden schon seit sehr langen Zeiten als Baumaterial verwendet. Die ersten Backsteine sind im antiken Mesopotamien gefunden worden, vermutlich aus einem Zeitraum etwa 5000 v. Chr. Es sollte jedoch bis etwa 3000 v. Chr dauern bis Backsteine im grösseren Ausmass als Baumaterial eingesetzt werden sollten.

Zuerst wurde die Steine mit der Hand aus einem Kleihumpen geformt aber bereits rasch folgte die Verwendung eines Formgitterkastens, der es ermöglichte Steine von (etwa) gleicher Form und Struktur in Serie zu backen. In Europa waren es die Römer, die Backsteine im grösseren Ausmasse für ihre Bauwerke einsetzten doch nach dem Weggang der Römer verschwand auch deren Backsteintechnik wieder. Ab dem 12. Jahrhundert wurde das Steinebacken wird aufgenommen von den Klostermönchen. Die ersten Backsteinerwähnungen im Jahre 1215 stammen aus der belgischen Ortschaft Veurne: Oft war die Rede von „kloostermoppen“-Steinen. Die Verwendung von Backstein als Baumaterial („verstening“) nahm im Mittelalter sehr stark zu, als die Holzbauweise der Häuser wegen der enormen Brandgefahr in den Städten verboten wurde. Der Gebrauch des Backsteins ist ab jener Zeit in den Niederlanden vollumfänglich erhalten geblieben wegen der guten Erfahrungen mit dem überaus soliden Baumaterial und der sehr hohen Verfügbarkeit des von den grossen Flüssen in den Vorlandgebieten des Flussdeltas abgesetzten Kleis. In den Niederlanden sind noch etwa 35 Steinfabriken (im Besitze von 12 Firmen) in Betrieb, die jährlich etwa 1,1 Milliarden Backsteine produzieren.

Keine andere Industrie als die Backsteinindustrie hat einen grösseren Einfluss ausgeübt auf die Kultur und das Image der „’t Gelders Eiland“-Insel. Zuerst fand die Backsteinfertigung noch im kleineren Ausmass statt und wurden die Steine in kleinen, zeitlich befristeten Feldöfen für den Eigengebrauch gebacken. Dabei ging es meistens um den Bau eines Schlosses, einer Kirche oder eines Bauernhofs. Im „Ossenwaard“-Polder sind noch Spuren von dort errichteten Feldöfen für den Bau bzw. Umbau von Bauerhöfen gefunden worden. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollte jedoch bereits für den Markt produziert werden. Wie beispielsweise im „De Pannerdensche Waard“-Polder, wo 1837 eine Ladung dort hergestellter Backsteine mit dem Schiff in die niederländische „Oost Indië“-Kolonie (heutiges Indonesien) verfrachtet wurde. Diese marktgerichte Steinproduktion war  hier jedoch in den Händen nur weniger Bauern, die damit zwar ihr Einkommen aufbesserten aber allmählich auch einen grossen Teil des „De Pannerdensche Waard“- Kleibodens abgegraben hatten. Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Backsteinindustrie jedoch im ganz erheblichen Ausmasse Fahrt auf, als auch in den Niederlanden die Industrialisierung in Gang kam. Dampf, Elektrizität und Öl setzten neue Massstäbe und schufen ungeahnte Möglichkeiten. Die Backsteinindustrie musste aus naheliegenden Gründen deswegen immer weiter mechanisiert werden. Wobei auch die wasserwirtschaftliche Regulierung der niederländischen Gewässer ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine grosse Rolle spielte. Dabei wurden solche grosse Flüsse wie Rhein, Waal und IJssel mehr oder weniger „kanalisiert“ mittels eines Korsetts von Steckdämmen („kribben“), sodass sie sich in optimaler Weise als zuverlässige Wassertransportwege eigneten. 

Das „Rijnstrangen“-Gebiet wurde zum „gelobten Land“ für die Backsteinindustrie und vor allem an den Sommerkaden bzw. „schaardijk“-Winterdeichen entlang gab es vorzügliche Ansiedlungsmöglichkeiten. Der Klei war in wahrlich unerschöpflichen Vorräten in den Vorland- und Poldergebieten der „Rijnstrangen“-Region vorhanden. Und über den Rhein konnten Torf und Steinkohle als Brennstoffe angeführt werden bzw. die Backsteine abtransportiert werden. Aus dem Grundriss wird ersichtlich, dass von Spijk bis Pannerden eine ununterbrochene Reihe von Steinfabriken entstehen sollte. Es war dies ein gigantischer industrieller Komplex mit vielen zusätzlichen, betrieblichen Einrichtungen wie Ringöfen (später Flammöfen) mit hohen Schornsteinen, offenen Pressanlagen, Lokomotivschuppen, Schmieden, Pferdestallungen, Trockenfeldern („tasvelden“), Heckenhütten, Schmalspurgleisen, Umschlagkaden und Arbeiter- bzw. Personalwohnungen. Nirgends war die Backsteinindustrie so dominant vorhanden wie auf der „’t Gelders Eiland“-Insel und keine einzige Gegend in den Niederlanden hat dermassen beigetragen zur wahrlich grossartigen Entwicklung der Niederlande in Sachen Strassenbau (mittels Klinkerpflasterung) und Häuserbau (mittels Backsteineinsatz). Um 1900 gab es auf der „’t Gelders Eiland“-Insel nicht weniger als 12 Steinfabriken mit insgesamt 550 Arbeitnehmern.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts sollte aus den hohen Schornsteinen allerdings immer weniger Rauch hochsteigen und wurden viele Steinfabriken geschleift. Eine Überproduktion (mit überfüllten Trockenfeldern), die hohen Nachkriegslasten, die steigenden Erdgaspreise und die aufkommenden Abgrabungsregulierungen forderten ihren allmählichen (wirtschaftlichen) Tribut. Aber noch immer laufen auf der „’t Gelders Eiland“-Insel vier Steinfabriken auf vollen Touren: In Tolkamer „Steenfabriek De Bylandt BV“ („CHR Clay Solutions“), in Spijk „Steenfabriek Vandersanden“ und in Pannerden zwei Steinfabriken der „Wienerberger Bedrijven“-Gruppe. Es sind dies  Betriebe, die sich den Anforderungen der modernen Zeit bzw. der industriellen Fertigung gestellt haben und als noch immer aktive Steinfabriken gleichzeitig nach dem reichen kulturhistorischen Erbe der einstigen, hiesigen Backsteinindustrie verweisen.

Weitere Informationen

Falls Sie mehr erfahren möchten über die Backsteinindustrie, biiten wir Sie sich eine der untenvermerkten Websites anzuschauen.
Wienerberger
van der Sanden group
CRH Clay Solutions


Quelle: 'Sleutel van het verleden, sleutel tot de toekomst’ von F. van Hemmen, M. Tilstra und J.R. Mulder

An diesem Projekt haben viele Menschen  auf der „’t Gelders Eiland“-Insel mitgearbeitet bzw. ihren Beitrag dazu geliefert.

Das Projekt ist zudem zustande gekommen dank der Finanzierung seitens ‘des „Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums"’im Rahmen des EU-Leader-Ansatzes für diesbezügliche Investierungen. Das niederländische „Ministerie van Economische Zaken, Landbouw en Innovatie“-Ministerium (Wirtschaftsministerium) ist hierbei verantwortlich für die Umsetzung des EFRE/POP2-Programms in den Niederlanden.

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