Elten, ein guter Nachbar

Elten ist bekannt als ein ruhiges und gemütliches deutsches Dörfchen, direkt an der Grenze gelegen. Und man kann sich auch nicht vorstellen, dass ausgerechnet dieses kleine Dorf in der Vergangenheit oft Gegenstand langwieriger und mühsamer Verhandlungen gewesen ist. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg verlangten die Niederlande einen Ausgleich für die von den deutschen Besatzern angerichteten Schäden. Einen Schadensersatz, der in Gold, Gütern, Arbeit oder Land geleistet werden könnte. Da es jedoch von einem „nackten Huhn“ nicht viel zu rupfen gibt, war ein Schadensausgleich in der Form einer Landabtretung naheliegend.

Die Befürworter einer Einverleibung waren im „Het Nederlandsch Comité voor  Gebiedsuitbreiding“-Ausschuss zusammengeschlossen und dachten sich grossartige  Pläne aus für allerlei Annektierungen in einem Umfang von bis 10’000 km2 Land. Die Niederlande hatten mit einer Überbevölkerung zu kämpfen und das Argument der schnellen Bevölkerungszunahme wurde in diesem Zusammenhang deshalb gerne benutzt um die Forderungen nach mehr Land Nachdruck zu verleihen. Die Politik war sich angesichts dieser hochtrabenden Pläne zwar nicht einig aber auf Druck Königin Wilhelminas forderte die niederländische Regierung dann schliesslich die Einverleibung von fast 5'000 km2 deutschem Grundgebiet. Dies war natürlich wunderbar ausgedacht, doch wie sollte das dann alles letztendlich durchgeführt werden? Denn die Niederlande waren letztendlich nur ein notleidendes, kleines Land ohne irgendwelche Druckmittel. Kurz gesagt: Es hatte fast nichts einzubringen! Und Deutschland als solches selbst existierte eigentlich nicht mehr: Es gab keine Regierung, das Land wurde von den alliierten Siegern in Besatzungszonen verwaltet und die hatten andere Sorgen als sich mit niederländischen Gebietsansprüchen zu beschäftigen! Die niederländischen Pläne wurden dann auch mit keiner allzugrosser Begeisterung empfangen und es gab viele Argumente dagegen. Wie beispielsweise das das Ganze keinen grossen Beitrag darstellen würde für einen raschen und stabilen Wiederaufbau des chaotischen Deutschland-Restgebildes aber auch, welche Folgen das Aufkommen eventueller Flüchtlingsströme aus den betroffenen, deutschen Grenzgebieten innerhalb Deutschlands haben würde. Im Laufe der Jahre wurden die Forderungen dann auch immer weiter herabgestuft bzw. weniger schwarz-weiss vorgebracht und nahm auch die niederländische Begeisterung für diese unseligen Annektierungsbestrebungen ständig ab. Aber nun gänzlich von diesen Plänen abzusehen, war auch keine Option: Man hatte schliesslich eine Reputation hochzuhalten.

1946 reifte deshalb ein neuer, abgeschlankter Plan, der letztendlich 1949 tatsächlich umgesetzt werden würde. Und dies im Sinne der Schlusserklärung der Londoner Deutschlandkonferenz, auf der beschlossen worden war, dass nur eine begrenzet Anzahl Grenzkorrekturen stattfinden durfte. Mit als Folge, dass die Niederlande mit schliesslich nur 69 km“ deutschem Grundgebiet vergrössert wurden und ingesamt 10'000 neue (deutsche) Einwohner dazu kamen. Darunter auch das Dorf Elten samt Umland. Auch im „Selfkant“-Gebiet (Tüddern) gab es Landannektierungen. Am 23 April 1949, mittags um 12.00 Uhr, zog die niederländische Marechaussee-Bundespolizei in die einverleibten Dörfer ein und begann die Registrierung der neuen Niederländer. Dies schuf zu Anfang der Annektierungsmodalitäten viel Unsicherheit unter der betroffenen Bevölkerung, brachte allerdings speziell für Elten auch recht grosse Vorteile mit sich. Denn es entwickelte sich hier eine wahre Invasion niederländischer Touristen, die unbedingt den 80 m hohen Eltenberg besuchen wollten. Anfänglich kamen gar bis 20 Busse am Tag nach Elten und dieser Lokaltourismus hatte ein explosives Wachstum des örtlichen Mittelstandes zur Folge. Einige Monate später wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet und fand die erste Sitzung des deutschen Parlaments statt. Und auf einmal hatte das besiegte Deutschland wieder eine echte, funktionierende Regierung und hatten die Niederlande es somit mit einem Nachbarn zu tun, dem man mit fremder Hilfe einige Stücke Land abgenommen hatte. Und das wurde dann doch langsam irgendwie unangenehm. Deshalb wurde wieder jahrelang auf höchster Ebene verhandelt mit dem Resultat, dass es 1960 zu einer Art niederländisch-deutschen Abtretungsvertrag in umgekehrte Richtung kam. Dieser beinhaltete, dass die 1949 annektierten Gebiete wieder an Deutschland zurückgegeben werden sollten gegen eine einmalige „Wiedergutmachungs“-Leistung von 125 Millionen Mark, als (mehr oder weniger symbolische) Entschädigung für die niederländischen Opfer der einstigen Naziherrschaft. Und so geschah es, dass das Dorf Elten am 1. August 1983 nach 14 Jahren niederländischer „Herrschaft“ wieder zur Bundesrepublik Deutschland gehörte.

 

Eltener Butternacht (31. Juli 1963).

Zitat: „Niederländische und deutsche Händler hatten eine SchmuggeIidee ausgebrütet und diese auch in die Tat umgesetzt. Sie parkten ihre Laster in der letzten Juliwoche vol beladen mit allerhand Waren im Dorf Elten. Und am 31 Juli, so berichtete die Presse, standen schliesslich Hunderte Lastwagen im kleinen Dorf abgestellt, die vollgepropft waren mit vor allem Kaffee und Butter. Diese Produkte waren in Deutschland wesentlich teurer als in den Niederlanden. Sämtliche verfügbare Räumlichkeiten wurden für diese Schmuggeloperation eingesetzt. „Lehrstehende Häuser, Kinos und Tanzsäle waren bis zur Decke mit Waren vollgestaut“, zitierte Tim Terhorst in seiner Diplomarbeit über Elten die Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) von jener Woche. Die Einwohner Eltens erzählten Terhorst, dass manche Scheune und manches Wohnzimmer wahrlich bis zur Decke vollgepackt war mit allerhand Produkten. Die Zollbehörden griffen nicht ein und am nächsten Morgen, am 1. August 1963, standen die Laster plötzlich auf deutschem Boden ohne die Grenze passiert zu haben. Es brauchte somit keine Einfuhrzölle bezahlt zu werden. Die provisorischen Lager in Häusern und Gebäuden wurden noch in der gleichen Nacht schleunigst geleerd und die dort gelagerten Produkte auf weitere Lastwagen verfrachtet. Es war eine Nacht ungeahnter Betriebsamkeit im kleinen Dorf Elten, die in die Geschichte als „Eltener Butternacht“ eingegangen ist. Schätzungen sprechen von 50 bis 60 Millionen Gulden, die in jener Nacht von den Händlern auf einem Schlag bei dieser Schmuggeloperation verdient wurden. Es war ein derartiger Sturmlauf auf das Dorf, dass die Regierung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinde nachträglich 250'000 Mark hat überweisen lassen um die Asfaltschäden auf den Strassen zu reparieren, die der enorme Lasterkonvoi verursacht hatte.“(Quelle: www.duitslandweb.nl)

 

Einverleibungszone

Karte Annektierung Elten 1949-1963. Hier wird angegeben welches Gebiet damals annektiert wurde. Mappe gross anzeigen

 

Aus der Zeitung

annexatie-krant1

annexatie-krant2


Quelle: André Horlings
Artikel in der „Winschoter Courant“ („Bevrijdingsbijlage“ 1985)

Musik aus der Region

Das Liemers-Musikduo Mulder en van Gorkum hat über dieses Grenzgebiet ein dazu passendes Lied geschrieben 'land aon de grens'.

Bitte hier klicken

Falls Sie mehr erfahren möchten über Elten, die „Eltener Butternacht“ und die Gebietsannektierung bitten wir Sie sich eine der untenvermerkten Websites anzuschauen.
geschiedenis24
duitslandweb

An diesem Projekt haben viele Menschen  auf der „’t Gelders Eiland“-Insel mitgearbeitet bzw. ihren Beitrag dazu geliefert.

Das Projekt ist zudem zustande gekommen dank der Finanzierung seitens ‘des „Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums"’im Rahmen des EU-Leader-Ansatzes für diesbezügliche Investierungen. Das niederländische „Ministerie van Economische Zaken, Landbouw en Innovatie“-Ministerium (Wirtschaftsministerium) ist hierbei verantwortlich für die Umsetzung des EFRE/POP2-Programms in den Niederlanden.

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